Stilleseminar

Sonnenuntergang
Uhr im Gesicht
Wenn nichts mehr geht... hilft die Stille. Foto: pixabay

„Fragezeichen im Kopf“

Stilleseminar in Rengsdorf: Eine Teilnehmerin berichtet

„Mich für dieses Seminar anzumelden war getragen von dem Gedanken, etwas für mich zu tun. Eine Auszeit zu nehmen von dem stressigen Alltag. Ruhe zu finden. Die angesetzte Anzahl von fünf Seminartagen haben mich anfangs verunsichert. Eine so lange Zeit zu schweigen, kam mir ziemlich herausfordernd vor. Mich hat der Gedanke beruhigt, dass das Seminar schon seit Jahren von der Polizeiseelsorge angeboten wird und es damit wohl nicht schlecht sein kann für die Teilnehmenden.“

Schreibt die Teilnehmerin – sie möchte anonym bleiben - eines der Stilleseminare, die die Polizeiseelsorge mit Unterstützung der STIFTUNG POLIZEISEELSORGE jedes Jahr mehrfach anbietet. 

Fünf Tage Stille… im Haus der Stille in Rengsdorf, getragen von der Evangelischen Kirche im Rheinland, geleitet von Polizeiseelsorger*innen. So etwas kann auch abschrecken: Schweigen und „nichts“ tun? Unvorstellbar für viele Polizeibeamt:innen, die auf Zupacken, Retten und Lösungen finden fokussiert sind.  

Fragezeichen

 „Mit den Informationen zum Ablauf, die ich mit der Anmeldebestätigung erhalten hatte, bin ich angereist – voller Fragezeichen im Kopf, ob das etwas für mich sein wird. Wie kann ich mit Menschen fünf Tage zusammen verbringen, wenn ich sie nicht kenne und auch noch schweigen soll?!

Schon kurz nach der Anreise gab es verschiedene Programmpunkte, in denen noch gesprochen werden durfte. So konnten sich die Teilnehmenden kennenlernen. Mir hat das geholfen einen Einblick zu bekommen, mit wem ich die nächsten Tage im Schweigen verbringen werde. Beeindruckt hat mich von Anfang an die Offenheit der Gruppe. Es wurde freigestellt, was wir von uns mitteilen möchten. Der Einstieg in das Schweigen am Abend des Anreisetages wurde durch ein Ritual begleitet. Es war ein gemeinsames in die Stille gehen. Dieser Moment hat mich schon ziemlich bewegt und ich war aufgeregt, wie wohl der nächste Tag werden würde. 

Kreis auf Boden
Haus der Stille, Rengsdorf. Foto: Anna Siggelkow

Emotionen

Das erste Frühstück ohne zu sprechen war ungewohnt. Normalerweise tauscht man sich aus, wie die Nacht war oder wie es einem geht. Überrascht hat mich, dass man auch ohne Kommunikation sehr viel von seinem Gegenüber mitbekommt. Das Nonverbale bekommt einen anderen Stellenwert. Das durfte ich während des Seminars mehrfach erleben. Die Stille trägt dazu bei, mehr auf Gestik und Mimik zu achten. Emotionen sind deutlicher spürbar als im trubeligen Alltag.

Nach dem Frühstück gab es den Punkt „Hausarbeit“. Wir konnten uns einteilen, um für eine knappe Stunde mitzuhelfen. Frühstückstische abräumen, Fegen, Unkraut jäten etc.. Danach startete das gemeinsame Programm. Es gab sportliche Aktivitäten, Meditationsübungen und geistige Impulse. Auch Gruppenarbeit war dabei. Abends gab es die Möglichkeiten an einem Gottesdienst - gehalten durch den Polizeiseelsorger - teilzunehmen. Und es gab das Angebot, mit der Seminarleitung Gespräche zu führen.

Anspannung

Optimistisch gestimmt, hatte ich mich erst für den zweiten Tag für ein Gespräch eingetragen. Einen Tag Schweigen und am zweiten Tag vielleicht über das zu sprechen, was mir möglicherweise durch den Kopf geht, fühlte sich machbar an. Was soll ich sagen? Ich wurde eines Besseren belehrt. Vielleicht war es auch die Tatsache, dass ich zusätzlich mein Mobiltelefon in den Flugmodus gesetzt hatte. Keine Anrufe, kein WhatsApp. Nur ich und meine Gedanken. Offensichtlich konnte man mir meine Anspannung ansehen und ich wurde freundlich darauf aufmerksam gemacht, dass es auch vor dem eingetragenen Termin, die Möglichkeit eines Gespräches gibt.

Die Gruppe habe ich über die gesamte Zeit als absolut positiv erlebt. Alle waren sehr achtsam im Umgang miteinander. Obwohl wir aus unterschiedlichen Behörden kamen und uns meist nicht kannten, waren wir eine Einheit.

Entspannung

Das Schweigen wurde am Vorabend des Abreisetages in einem gemeinsamen Gottesdienst beendet. Diesen hatten wir im Vorfeld mitgestalten können.- Lieder auswählen, Fürbitten schreiben, etc.. Danach saßen noch alle zusammen und haben sich ausgetauscht über dieses und jenes. Ein Teilnehmer hatte seine Gitarre dabei, sodass wir gemeinsam singen konnten.

Wer sich Sorgen wegen der vegetarischen Küche macht, den kann ich beruhigen. Die Mahlzeiten sind absolut lecker und jeder ist satt geworden. Hervorzuheben ist auch das Personal des Hauses. Alle sind freundlich, zuvorkommend und geben einem das Gefühl, willkommen zu sein.

Heute bin ich dankbar für die Erfahrungen, die ich im Stille Seminar machen durfte. Die professionelle Begleitung, das Programm, das Miteinander, alles war eine Bereicherung, sodass ich sagen kann:

„Das Seminar ist ein Must-have.“

 

Außenansicht
Das Haus der Stille ist das Meditations- und Einkehrzentrum der Evangelischen Kirche im Rheinland. Foto: EkiR

Stilleseminar: Schweigen, Rituale, Reflexionen

Ergänzungen von Volker Hülsdonk

Die Stilleseminare der Polizeiseelsorge finden regelmäßig jedes Jahr statt, jeweils unter anderen Bezeichnungen und Schwerpunkten, aber die Ziele bleiben gleich: Polizist*innen zu ermöglichen, einen vollkommenen Gegenpol zu dem zu erleben, was sonst pausenlos auf sie einströmt. Wer da mitmacht, braucht auch ein bisschen Mut zum Risiko. 

In diesem Frühjahr waren der leitende Landespolizeipfarrer Volker Hülsonk und seine Kollegin Monika Weinmann die Teamer. Die Stiftung Polizeiseelsorge hat Volker Hülsdonk ergänzende Fragen gestellt zum Seminarbericht der Polizistin. 

Stiftung Polizeiseelsorge: „Schon kurz nach der Anreise gab es verschiedene Programmpunkte, in denen noch gesprochen werden durfte“, schreibt die Teilnehmerin. Um was handelte es sich dabei? 

Volker Hülsdonk: Natürlich muss man erst mal eine Einführung geben in den Seminarablauf. Die Teilnehmer stellen sich vor, schildern ihre Vorerfahrungen, die sie vielleicht haben. Und es ist ja auch so, dass während des Seminars doch etwas gesprochen wird: Zum einen in den Einzelgesprächen, die wir anbieten. Zum anderen durch unsere thematischen Impulse. Da entstehen jetzt keine langen Diskussionen, aber die Teilnehmenden bekommen eine kreative Aufgabe und darüber wird dann auch gesprochen. 

Zum Beispiel eine Arbeit an einem Bibeltext. Oder man stellt eine Figur her aus Ton oder mit kinetischem Sand. Oder es gibt ein Blatt Papier, darauf ein Rad gezeichnet mit einzelnen Segmenten: Diese stehen für Lebensbereiche wie Arbeit, Partnerschaft, Erfolg, Hobby, Freizeit. Und da kann man eintragen, wie zufrieden man in dem jeweiligen Lebensbereich ist. Also ist das Rad rund oder ist es an manchen Stellen sehr ausgeprägt und an anderen gar nicht? Das nennt sich ´circle of life` und ist quasi eine Reflexion: Wo stehe ich gerade?

Stiftung Polizeiseelsorge: Dann ist das Stilleseminar mehr als bloßes Schweigen?!

Volker Hülsdonk: Ja. Diesmal hieß das Seminar „Atemholen für die Seele“ und dahinter verbirgt sich das Ziel, dass Menschen sich wieder etwas besser mit sich selbst verbinden können und vielleicht auch ein Stück neu justieren.

Stiftung Polizeiseelsorge: Die Teilnehmerin schreibt: Der Einstieg in das Schweigen wurde durch ein Ritual begleitet. Wie muss man sich das vorstellen? 

Volker Hülsdonk: Ein „Ritual“ ist der Tagesablauf, der an zumindest drei Tagen gleich ist. Und es gibt immer eine Morgenandacht und eine Abendandacht. Auch ein Ritual ist, dass nach der Einführung zum Schweigen eine Klangschale berührt wird und dadurch ein lang nachhaltender Ton entsteht, der ins Schweigen führt.

Andachtsraum
Andachtsraum im Haus der Stille. Foto: EKiR

Stiftung Polizeiseelsorge: Es gab Hausarbeit… Wie geht das, ohne miteinander zu sprechen?

Volker Hülsdonk:  Nach dem Frühstück kommt die Hauswirtschafterin des Tagungshauses in den Raum mit einem Zettel und liest die Aufgaben für die meditative Arbeit vor: „Unkraut jäten zum Beispiel oder Pakete schleppen, Äpfel aufsammeln, Salzstreuer auffüllen, Briefumschläge zukleben, so etwas. Und dazu melden sich die Seminarteilnehmenden dann. Wir bieten auch Körperarbeit an. Eine Polizeibeamtin ist Yogalehrerin, sie gibt die Anleitungen und die Yogaübungen geschehen dann auch schweigend. 

Stiftung Polizeiseelsorge: Obwohl nicht durchgehend geschwiegen wird, ist das Seminar dennoch eine Herausforderung, das geht aus dem Text der Teilnehmerin schon hervor… 

Volker Hülsdonk: Ja, gerade für Menschen, die sich zum ersten Mal anmelden, haben häufig Bedenken: ´Kann ich das überhaupt, mal einen Tag die Klappe halten und nichts sagen? ` Und dann sind sie oft ein Stück erleichtert, wenn sie feststellen, dass es nicht ganz so streng gehandhabt wird und sie sich ja auch für Einzelgespräche mit uns Teamern anmelden können. Wir bieten mindestens ein Gespräch pro Teilnehmer an. Es gibt welche, die nehmen keins. Es gibt auch welche, die nehmen zwei. Die Bedürfnisse sind unterschiedlich. Und wir haben erfreulicherweise auch immer wieder Leute, die schon mehrmals teilgenommen haben und von daher auch wissen, worauf sie sich einlassen. Die haben überhaupt kein Problem damit.

Stiftung Polizeiseelsorge: Irgendwie wundert man sich, dass die meist als robust oder bodenständig empfundenen Polizistinnen und Polizisten so ein Seminar buchen.  Weshalb kommen sie?

Volker Hülsdonk: Sie suchen eine Oase der Ruhe vom Alltag. Sie möchten wieder mehr zu sich selbst finden, tatsächlich Atem holen für die Seele. Also genau das, was wir im Ausschreibungstext anbieten, ist auch das, was die Leute suchen: Mal ohne Familie, ohne Dienstgeschäfte sich eine Woche konzentrieren zu können auf das, was im Inneren entsteht als Thema. Oder um Themen loslassen zu können. Sie sagen, jetzt lasse ich mich mal ganz ein auf etwas ganz anderes.

Stiftung Polizeiseelsorge: Nun könnte man sich ja ein Atemholen für die Seele auch in einem Wellness-Hotel vorstellen… Da fährt man dann allein hin, genießt Massagen, geht in die Sauna, schwimmen, entspannt oder powert sich aus. – Klingt auf den ersten Blick leichter als eine Woche Schweigen… Diejenigen, die das Stilleseminar machen, ahnen oder wissen, dass das wesentlich tiefer gehen kann?!

Volker Hülsdonk: Das ist so. Es gibt Teilnehmer, für die ist das Ganze auch spirituell grundiert oder Teil einer spirituellen Suche. Und die persönliche Entwicklung ist davon ja auch nie ganz zu trennen. Das ist jedenfalls meine Sicht. Die Menschen, die dafür offen und auf einer Suche sind, die trennen Persönliches und Sprirituelles nicht voneinander. Aber natürlich kann man sich auch persönlich entwickeln, ohne ein größeres spirituelles Interesse.

Stiftung Polizeiseelsorge: Wie kommen die Stilleseminare insgesamt an?

Volker Hülsdonk: Das Feedback ist rundherum sehr gut. Die Teilnehmer sind hochzufrieden und dankbar, viele wollen wiederkommen. Sie sagen, dass sie es toll finden, wie sich die einzelnen Elemente, die spirituellen, die geistlichen Impulse, die eher beraterisch-psychologischen Impulse, die Körperarbeit und das Draußensein in der Natur ineinandergefügt haben.

 

Interview: Barbara Siemes

 

Stilleseminar: 

„Atem holen für die Seele“

„Zusätzlich begegnen Polizist:innen Situationen, die ihnen den Atem stocken lassen. Solche Erfahrungen belasten im Laufe der Dienstzeit oft auch Menschen, die gelernt haben, mit professioneller Distanz schwierigen Situationen zu begegnen. 

Innehalten, zur Ruhe kommen und durchatmen – das bieten die Tage im Schweigen, so dass die Seele wieder frei atmen kann und lebendig wird.“

(Landespfarramt für Polizeiseelorge) 

Nächster Termin: 

Stilleseminar – „Die Mitte finden“

Leitung: Pfarrerin Stefanie Alkier-Karweick
Pfarrer Uwe Hackbarth-Schloer

11. – 13.09.2024

Anmeldung über Landespfarramt Rheinland
Kosten pro Person: 130 €

 

Mehr Infos hier: 

https://polizeiseelsorge-nrw.de/wp-content/uploads/2023/12/pss_progamm_2024_Broschuere-onlineTeil11.pdf

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