DVD "Ganz nah dran"

Pfarrerinnen und Pfarrer im Dienst der Polizei! Hier der Glaube an eine höhere Macht – dort die Desillusion durch die Kenntnis menschlicher Abgründe. Kann das zusammengehen?

Ja, sehr gut. Die Arbeit der Polizeiseelsorgerinnen und Seelsorger wird sogar immer wichtiger je mehr die Polizei unter Druck gerät durch die gestiegenen Anforderungen der Terrorismusabwehr, durch die Flüchtlingsproblematik und auch durch den schwindenden Respekt ihr gegenüber und die gleichzeitig zunehmende Gewalt.

„Ganz nah dran!“ heißt ein Film, den die Journalistin Barbara Siemes (Buch und Regie) und der Polizeibeamte Dennis Ardischoll, Einsatztrainer der Bereitschaftspolizei Köln (Kamera und Schnitt,) im Auftrag der Stiftung Polizeiseelsorge gedreht haben und der Einblicke in die Arbeit der Pfarrerinnen und Pfarrer zeigt.

Die Journalistin und der Polizist haben drei PolizeiseelsorgerInnen bei ihren verschiedenen Einsätzen für die Polizei begleitet. Das Spektrum der Seelsorglichen Arbeit ist viel breiter als man sich das vielleicht vorstellt: Der Film bzw. die 6 einzelnen Kapitel zeigen einen kleinen Ausschnitt.

Polizistinnen und Polizisten haben den Anspruch an sich, immer und überall zu helfen und stark zu sein. Aber auch sie kommen an ihre Grenzen. Beispielsweise dann, wenn ein Kollege oder eine Kollegin aus dem Team stirbt. In solchen Situationen sind seelsorgliche Gespräche eine wichtige Unterstützungsmöglichkeit.

Trauerbegleitung: Todesfall im Landeskriminalamt

Die absolute Schweigepflicht der PolizeiseelsorgerInnen erleichtert es den Beamtinnen und Beamten in den persönlichen Gesprächen, auch sehr brisante Themen wie die zunehmenden Belastungen im Beruf anzusprechen oder auch private Probleme.

Das Gesprächsangebot der Pfarrerinnen und Pfarrer ist ein besonders geschützter Raum. Sollten auch die sehr gut ausgebildeten SeelsorgerInnen auf Dinge stoßen, die einer intensiveren Begleitung bedürfen, übernehmen sie das entweder selbst oder vermitteln die BeamtInnen weiter. Ein weiteres großes Plus ist, dass die PfarrerInnen keinem Strafverfolgungszwang unterliegen wie die Polizisten untereinander: „Das öffnet viele für uns zum Gespräch“, so die Polizeiseelsorger.

Ein anderer wichtiger Baustein der Polizeiseelsorge ist die Aus- und Fortbildung:  Die Seelsorger bieten berufsethische Seminare an - oder auch Trainings, die äußerst heikle Einsatzgebiete der Polizei berühren.

Menschlicher Umgang: Überbringung einer Todesnachricht

„Oft bin ich ganz offen empfangen worden, vorurteilsfrei! Aber was ich so feststelle, ist, dass Menschen, die mit der Kirche nicht mehr ganz so viel zu tun haben, ein Kirchenbild im Kopf haben, das längst passé ist. Also, wir sind weder strenge Richter, noch streng Urteilende, wir sind ja als Seelsorgende unterwegs und das heißt für mich erst mal verstehen zu wollen, was in den Menschen vorgeht. Auch dann, wenn sie sich etwas haben zu Schulden kommen lassen“, sagt Bianca van der Heyden.

Die Sorge, die Pfarrerinnen und Pfarrer der Polizeiseelsorge könnten möglicherweise „nur“ auf ihren Glauben beschränkt handeln, ist vollkommen unbegründet: Diese Pfarrer sind „handfeste“, auch in Bereichen wie psychologischer Gesprächsführung oder Trauerbegleitung ausgebildete Persönlichkeiten, die sich während vieler Einsatzbegleitungen und Gesprächen in das Denken und Handeln von Polizisten hineinversetzen können. Und dennoch ist die Beziehung zwischen Seelsorge und Polizei sehr empfindlich.

Lanxess Arena Vereidigung 2014: Herausforderungen an Polizei und Seelsorge

Fast die Hälfte der Polizisten aus NRW hat an der Studie über die Gewalt gegenüber der Polizei teilgenommen: „Die geschilderten Angriffe reichen dabei von Pöbeleien bis zu tätlichen Angriffen, von Attacken mit Fäusten und Messern bis hin zu immer wiederkehrenden Beleidigungen und Provokationen. Und das sind keine Einzelfälle“, steht in einer Presseinformation des Innenministers. Auch solche oft schockierenden Erfahrungen sind Thema in Gesprächen mit den Seelsorgern.

Aber es sind nicht nur diese oder die spektakulären Gefahren durch den islamistischen Terror, die das Leben der Beamtinnen und Beamten bedrohen. Jeder Tag im Streifenwagen kann lebensgefährlich werden - das müssen die Auszubildenden früh lernen. Daher klinkt sich die Polizeiseelsorge in Ausbildungslehrgänge ein wie zum Beispiel das Amoktraining.

Amoktraining: Auszubildende im Härtetest

Wer zur Polizei möchte, sollte einiges wegstecken können – aber auch wer als Pfarrer oder Pfarrerin bei der Polizeiseelsorge arbeiten möchte kann in Situationen geraten, die ganz bestimmt nicht alltäglich sind…

So erging es Bianca van der Heyden: Aus ihrer Einsatzbegleitung wurde ein Alptraum.

Loveparade: Begleitung im Katastrophenfall

Viele Polizistinnen und Polizisten waren nach dem Einsatz auf der Loveparade noch monatelang belastet, erzählt Bianca van der Heyden. Immer wieder hat sie Gespräche geführt, bei manchen sogar noch zwei bis drei Jahre danach. „Es wurden ganz viele Menschen gerettet! Aber trotzdem ist es natürlich für einen Polizisten ein absoluter Albtraum, wenn in seiner Anwesenheit Menschen sterben! Auch wenn die, die dort in diesem Kessel mit drin waren, natürlich überhaupt keinen Einfluss mehr hatten“, sagt sie. Hinterher mussten viele noch mit Schuldzuweisungen fertig werden, die sich pauschal gegen die gesamte Polizei richteten.

Einen derart belastenden Beruf zu haben, der zusätzlich durch Arbeitsverdichtung, Schichtdienst und teils unkalkulierbare Einsätze (wie zum Beispiel Silvester 2015) erschwert wird, bedeutet auch eine Herausforderung an das Privatleben: Sehr viele Familien von Polizisten drohen zu zerbrechen. Viele sind es schon.

Familienwochenende: Besinnliche Auszeit im Advent

Gewalt, Tod, Elend – die gesamte Palette menschlicher Abgründe bekommen Polizeibeamtinnen und –beamten mit. Sie müssen Suizide verhindern oder auf Menschen schießen. Sie müssen Eltern den Mord an ihrem Kind mitteilen, sie sehen Bilder vom sexuellen Missbrauch von Kindern, sie werden beschimpft, bespuckt und angegriffen. Sie beobachten, wie langjährige Ermittlungen von Straftaten umsonst waren, weil Täter wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Polizisten müssen funktionieren, sie dürfen keine Fehler machen - egal wie es ihnen selbst gerade geht. Und: Kaum ein anderer Beruf steht so unter öffentlichem Druck wie der des Polizisten.  

Viele Beamtinnen und Beamten sind davon überzeugt, dass es „der Gesellschaft“ völlig egal ist, wie es ihnen geht.

Den Pfarrerinnen und Pfarrern der Polizeiseelsorge ist dies nicht egal: Sie wissen, dass der Beruf des Polizeibeamten eine unglaubliche Zumutung sein kann und bieten Klärung, Orientierung sowie Entlastung nach einschneidenden Erfahrungen sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich.

 „Wir machen Mut“, sagt die Stiftung Polizeiseelsorge – und den brauchen oft auch die Seelsorgerinnen und Seelsorger selbst.

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