Neuer Landespolizeiseelsorger für Rheinland-Pfalz

Christian Jung mit Polizisten auf Wache

„Wenn sich Polizist:innen öffnen und Entlastung möglich wird – dann ist das für mich etwas zutiefst Erfüllendes!"

Polizeiseelsorger Dr. Christian Jung im Gespräch

Christan Jung spricht mit Polizistin

Landespolizeipfarrer Dr. Christian Jung im Gespräch mit einer Polizistin. Foto: Polizei Koblenz

„Ich wollte raus aus der kirchlichen Komfortzone“, sagt Dr. Christian Jung. Seit September 2024 ist er es, der neue evangelische Polizeiseelsorger für die Polizeipräsidien Koblenz und Trier. Im Gespräch mit Barbara Siemes zieht er nach den ersten Monaten Bilanz. Erzählt, wie er seinen Dienst versteht, warum ihn die Polizei fasziniert – und welche Rolle Seelsorge im Alltag der Beamt:innen spielt.

„Kirche gehört dahin, wo es gesellschaftlich brennt“ 

Viele Jahre war Christian Jung klassischer Gemeindepfarrer in Uckrath bei Hennef, „durchaus mit Herzblut“ – doch irgendwann spürte er: Er braucht Veränderung. Er wollte näher ans „echte Leben“. Kirche, so ist er überzeugt, dürfe nicht nur in Kirchenräumen stattfinden. „Ich möchte Kirche dahin bringen, wo sie gebraucht wird – mitten in den Alltag der Menschen.“

Die Polizei sei für ihn genau der richtige Ort: „Da verlässt Kirche ihre Komfortzone und geht dahin, wo es gesellschaftlich brennt.“ Während einer Fortbildung zum Systemischen Berater hatte ihm ein Kollege von der freiwerdenden Stelle des Polizeiseelsorgers der EKir für Rheinland-Pfalz erzählt. Jung bewarb sich – und wurde genommen. 

„Im Zentrum stehen Seelsorge und Beratung“

Offiziell ist Jung für das Polizeipräsidium Koblenz zuständig – mit rund 2.500 Mitarbeitenden und über 40 Dienststellen zwischen Westerwald und Hunsrück. Die Aufgaben für das Polizeipräsidium Trier übernimmt sein katholischer Kollege. Auch an der Hochschule der Polizei am Campus Hahn im Hunsrück ist Christian Jung regelmäßig zu finden: „Dort unterrichte ich Ethik. Viele junge Menschen begegnen ihm dort zum ersten Mal – und oft entstehen Gespräche, die über den Unterricht hinausgehen.

Ein wichtiges Element seiner Arbeit ist, gerade auch in der Anfangszeit, mit Polizeibeamt:innen im Dienst in Kontakt zu kommen. Das gelingt nicht aus dem Büro heraus, sondern durch Präsenz vor Ort: „Ich gehe durch die Flure, bin ansprechbar, fahre mit auf Streife oder besuche Dienstgruppen“, sagt Jung. „Manchmal entstehen aus Tür-und-Angel-Gesprächen plötzlich tiefe Seelsorgekontakte.“ 

Im Zentrum stehen für Christian Jung Seelsorge und Beratung! „Ich arbeite auch mit Dienstgruppen, die in besonders belastenden Bereichen eingesetzt werden wie zum Beispiel bei der Ermittlung von Kinderpornografie.“ 

„Viele Polizist:innen haben hohe Ideale“

Die Themen, mit denen Beamtinnen und Beamte auf ihn zukommen, sind vielfältig: traumatische Einsätze, familiäre Probleme, Druck durch hohe Fallzahlen, letzteres vor allem in der Kriminalpolizei. 

Polizist:innen auf Demo in Menschenmenge

„Die Belastungen innerhalb der Polizei sind hoch – emotional und organisatorisch“, sagt Christian Jung.  Foto: Innenministerium NRW

„Viele Beamt:innen haben hohe Ideale, sie wollen gewissenhaft arbeiten, haben hohe Ansprüche an sich selbst, Menschen zu helfen und etwas Gutes für diese Gesellschaft zu tun. Aber oft kommen neue Fälle, bevor der vorige abgeschlossen ist. Das frustriert.“ 

Ab Juli 2025 wird Jung zusätzlich Mitglied im Kriseninterventionsteam (KIT) Rheinland-Pfalz. „Wenn ein schwerwiegender Einsatz war, werden wir gerufen – um mit den Beteiligten ins Gespräch zu kommen und eine möglichst schnelle Entlastung zu ermöglichen.“

„Du bleibst im Auto, bis die Lage geklärt ist!“

Ein besonders eindrückliches Erlebnis hatte er gleich zu Beginn bei einer Einsatzbegleitung im Streifenwagen: „Wir saßen im Wagen, es war ruhig – dann kam der Funkspruch: ein Mann mit Waffe bedroht Passanten. Von jetzt auf gleich war das Stressbarometer von 0 auf 1.000 – und trotzdem agierten alle ruhig und professionell. Das hat mich schwer beeindruckt.“ Noch dazu achteten die Kolleg:innen sehr auf ihn, den Seelsorger auf der Rückbank: „Sie sagten: Du bleibst im Auto, bis die Lage geklärt ist. Diese Achtsamkeit inmitten des Einsatzes fand ich sehr eindrücklich.“ 

Christian Jung erzählt weiter, er habe allein an diesen zwei Tagen Einsatzbegleitung so viele außergewöhnliche Dinge erlebt, dass für ihn klar ist, „wie intensiv dieser Beruf ist und wie herausfordernd!“  

„Viele hochengagierte Menschen“ 

Durch solche Erfahrungen wandelte sich sein eigenes Bild von Polizei. Zwar habe er die Polizei schon immer geschätzt, sagt er, aber „ich dachte, da herrscht so eine gewisse Verschlossenheit. Vielleicht auch gerade gegenüber Kirche oder einem Pfarrer. Aber ich bin einer großen Offenheit begegnet, einer großen Zugewandtheit, und viel Interesse an dem, was Polizeiseelsorge zu geben hat."

Er glaubt, dass seine Erfahrungen ein bisschen quer zu dem Bild stehen, die manche Menschen von Polizei haben.  

„Ich habe viele hochengagierte Menschen kennengelernt, die wirklich mit ganzem Einsatz handeln und versuchen, aus allen Situationen das Bestmögliche herauszuholen.“

„Die Leute merken, ob Du echt bist!“

Christlicher Glaube spielt in Jungs Arbeit eine wichtige Rolle – aber nicht als fertige Antwort oder im missionarischen Sinne. „Die Rede von Gott muss sich im echten Leben bewähren“, meint der Seelsorger. Ihm geht es darum, Räume zu schaffen, in denen Vertrauen entstehen kann – auf Augenhöhe. „Ich sehe mich nicht als den großen Ratgeber. Ich will hören, was die Menschen bewegt. Und ich will da sein, wenn jemand reden möchte. Wenn ich typisch kirchlich, also so ein bisschen pastoral daherkäme, das ginge sofort nach hinten los. Die Leute merken, ob du echt bist.“

Dass das funktioniert, spürt er im Rückhalt, den er bekommt: „Ich werde überall herzlich empfangen.“ Dabei hilft ihm auch die gute Vorarbeit seines Vorgängers Reinhard Behnke: „Er hat viel Vertrauen aufgebaut, auf dem ich heute aufbauen kann.“

„Ich stehe in der Welt und ich bin Teil dieser Welt“ 

Gefragt nach den wichtigsten Eigenschaften für seinen Dienst sagt Jung: „Man muss mitten im Leben stehen. Offenheit, Empathie und Verlässlichkeit sind entscheidend. Und: Man darf sich nie überheben. Ich bin ein Lernender in diesem System.“ 

Polizisten seien sehr klar in ihren Ansichten „und wenn das, was ich sage, nicht relevant ist, wird das auch schnell gespiegelt. Wenn die Supervision nicht gut war, wird man nicht nochmal gefragt.“ Bislang sei ihm das „zum Glück“ nicht passiert.

Trotz der vielen Kilometer, die er zurücklegt – etwa 30.000 pro Jahr in einem Gebiet mit über 40 Polizeidienststellen –, und der vielen Gespräche, Termine und Einsätze bleibt sein Ziel klar: „Da zu sein für die Menschen, die täglich für unsere Sicherheit unterwegs sind.“ Seine Hilfe liege dabei nicht im Focus auf den belastenden Inhalten, mit denen Polizistinnen und Polizisten konfrontiert werden, sondern auf der Entlastung, die er ihnen ermöglichen kann. 

Dass seine Arbeit wirkt, spürt er täglich: „Wenn sich Polizist:innen öffnen, wenn Erleichterung möglich wird – dann ist das für mich etwas zutiefst Erfüllendes.“

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